Wusstest du, dass Red Bull KTM Factory Racing auf dem Weg ist, eine der ältesten Rennsport-Kategorien der USA zu gewinnen? In der ‚Singles‘-Klasse der American Flat Track Serie schickt sich eine aus zwei Fahrern bestehende Mannschaft an, sich die Krone zu holen. Grund genug für uns, Team Manager Chris Fillmore zu bitten, uns mehr zu diesem Projekt zu erzählen …
Auf amerikanischen Rennstrecken hat wohl kaum jemand mehr Erfahrung mit KTM als der 34-jährige Chris Fillmore. Er fuhr eine KTM RC8 in der AMA Superbike-Serie, gewann mit KTM Supermoto-Rennen und stellte auf einer KTM DUKE einen neuen Rekord am Pikes Peak auf: Mit seinem Können und seiner Vielseitigkeit hat der ehemalige Rennfahrer in seiner Karriere für viel Furore gesorgt.
In seiner Rolle als Team Manager von Red Bull KTMs neuestem Projekt in der American Flat Track Serie hatte er anfangs alle Hände voll zu tun, die Erfordernisse dieser Vollgas-Kategorie zu verstehen. In nur zwei Jahren hat er es geschafft, ein Team aus dem vielversprechenden jungen Australier Max Whale (Zweiter in der Singles-Klasse 2020) und der schnellen Dame Shayna Texter-Bauman zusammenzustellen und zu lernen, worauf es in dieser intensiven Kategorie (wo oft nicht gebremst wird) zugeht. Nun hofft KTM, in diesem US-Sport ähnlich einzuschlagen, wie es die KTM-Teams in den Disziplinen Offroad, Motocross und Supercross getan haben.
Der in Michigan geborene und in Kalifornien lebende Fillmore erzählte uns am Telefon über die Anfänge, die Ausstattung des Teams und Stargäste …
Warum tritt KTM nun mit einem von Red Bull unterstützten Werksteam in der Singles-Klasse der American Flat Track-Serien an?
American Flat Track ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Wir haben die Saison 2017 genau verfolgt. Im Jahr 2018 entschieden, dass wir da mitmischen wollen. Wir haben erkannt, dass die Fans in diesem Sport hauptsächlich aus Straßenmotorrad-Fahrern besteht und wollten mitmachen. Die Regeln und die dafür notwendigen Investitionen hielten uns davon ab, in der Twins-Klasse anzutreten. Zu sehen, wie die TV-Präsenz des Sports wuchs und er immer mehr Fans und Hersteller anzog, ermutigte uns und bestätigte unseren Schritt. Wir haben nun erkannt, dass in der Singles-Klasse das meiste Potential steckt; in ihr sind fast alle Hersteller aktiv, die Rennen sind immer eine knappe Angelegenheit und die Zuseher bekommen immer eine fantastische Action geliefert.
Welche KTM-Bikes kommen zum Einsatz?
Unsere Rennbikes sind KTM 450 SX-F FACTORY EDITIONS. Im Grunde handelt es sich um tiefergelegte Motocross-Bikes mit 19-Zoll-Rädern und speziellen Dunlop-Reifen, die es schon lange gibt. Wir verwenden einen Reifentyp mit einem Profil und verschiedenen Mischungen für vier oder fünf verschiedene Streckenbeläge.
Wir fahren auf Ton und Blue-Groove (wo Reifenabrieb den Boden blau färbt), rutschigen Tonstrecken wie in Atlanta und eher lehmigen ‚Cushions‘. Dunlop musste einen Reifen entwickeln, der auf allen Untergründen funktioniert. Einmal fuhren wir einen Test auf einer Tonstrecke und zogen neue Reifen auf, auf denen die Fahrer dann langsamer waren als auf vollständig abgenutzten Reifen! Auf Basis meiner Erfahrung im Asphalt-Rennsport nahm ich an, dass neue Reifen immer der richtige Weg sind, aber solche Dinge rufen einem dann in Erinnerung, dass Flat Track anders ist. Fahrer sehen sich einen abgenutzten Reifen an, befühlen ihn, und sagen dann etwa ‚ja, der ist noch gut‘, während ich ‚ab in den Müll damit!‘ gesagt hätte. Man lernt viel dazu.
Wie wird man im Flat Track-Sport schnell und wie stark kommt es auf die Verbindung zwischen Mensch und Maschine an?
Rennfahrer sind immer auf der Jagd nach Zehntelsekunden. Im Flat Track Sport geht es aber um Hundertstel und um Konstanz. Durchschnittlich liegen die Rundenzeiten bei 20 – 22 Sekunden und selbst auf langen Strecken sind es nicht mehr als 30 Sekunden. Vom technischen Standpunkt liegt die Schwierigkeit darin, einen Kurs zu finden, dessen Bedingungen so konstant bleiben, dass man eruieren kann, ob man überhaupt schneller wird. Der Fahrer muss dann sehr clever sein und fühlen, ob sich die Strecke vom Morgen bis zum Abend verändert, diese Änderung verinnerlichen und uns das nötige Feedback geben, damit wir unsere Richtung nicht verlieren. Diese kleinen Details machen den Unterschied aus. Im Flat Track Sport muss man sich ständig an Änderung des Belags anpassen, um jene Hundertstel gutzumachen.
Ist Flat Track so etwas wie ein Mittelding zwischen Motocross und Asphalt-Rennsport?
Beim Motocross verändern sich die Strecken in jeder Runde sehr stark, sodass ein Fahrer nie Zeit hat, sich anzupassen. Im Flat Track Sport ist es so: Wenn sich innerhalb von zwei Kurven eine Welle gebildet hat, die das Handling des Bikes stört, dann hat der Fahrer weniger Raum als im Motocross, um seine Linie zu ändern (die Ideallinie ist oft nur 60 cm breit). Im Motocross könnte man weiter innen oder außen fahren, ohne Zeit zu verlieren. Beim Motocross geht es mehr um den Fahrer als in irgendeinem anderen Motorrad-Rennsport. Flat Track ist ein gutes Beispiel für einen Sport irgendwo zwischen Asphalt und Motocross. Ich würde aber sagen, dass er eher in Richtung Asphalt als Motocross tendiert.
Wie entwickelt sich Shayna Texter-Bauman und wie integriert sie sich in das Team?
Shayna ist unfassbar talentiert. Sie ist eine Spezialistin und auf manchen Strecken schier unschlagbar; insbesondere auf Half-Mile-Tonstrecken und in Lima, einer Cushion-Strecke. Auf anderen Strecken hat sie noch Probleme. Ich habe sie 2018 kennengelernt, als KTM und Red Bull in den Sport einstiegen, und wir haben beschlossen, dass es besser ist, ein Team mit zwei Fahrern zu haben als zwei separate Teams und so haben wir sie an Bord geholt. Red Bull war gleich begeistert und nahmen mit ihr letztes Jahr ein paar Videos auf. Sie hat härter als jeder anderer Fahrer für die TT und einige der anderen Strecken gearbeitet. Wir werden sehen, ob sich ihre harte Arbeit bezahlt gemacht hat. Das Können hat sie auf jeden Fall. Die Frage ist, ob sie das Muskelgedächtnis und Selbstvertrauen hat, um auf jeder Strecke vorn mitzuspielen.
Motocross- und Freestyle-Legende Travis Pastrana fuhr am Atlanta Motor Speedway eine Red Bull KTM …
Es war eine ganz besondere Sache für uns und die American Flat Track-Serie, jemanden mit so viel Erfahrung in den verschiedensten Disziplinen bei einem Rennen dabeizuhaben. Travis ist ein leidenschaftlicher Athlet und insgesamt ein toller Kerl – es war eine große Ehre, ihm ein Bike geben und zusehen zu dürfen, wie er damit seine Kreise zog. Atlanta mit seinen Asphalt- und Schotterabschnitten ist eine besondere Strecke und Travis hat Supermoto-Erfahrung; tatsächlich fuhren wir gegeneinander, als ich noch sehr jung war. Ich glaube, er wollte einfach Spaß haben und seinen Freund Ryan Sipes schlagen anstatt Jagd auf das Podium zu machen. Am Ende landeten sie aber beide in den Top-10, nur einen Platz voneinander getrennt. Es war sehr cool, ihn dabeizuhaben und ihm bei seinem ersten professionellen Flat Track Rennen zuzusehen; jetzt kann er seinem Lebenslauf einen weiteren Punkt hinzufügen!