Mit Manuel Lettenbichlers Tipps zum Bezwingen der steilsten Anstiege schaffst du es im Nu auf den Gipfel …
Manuel Lettenbichler vom Red Bull KTM Factory Racing Team hat sich in Windeseile zu einem der besten HardEnduro-Fahrer der Welt entwickelt. Er gewann auf seinem Weg zum Titel in der WESS-Enduro-Weltmeisterschaft die unter anderem die Red Bull Romaniacs 2019 und zeigte seinen Konkurrenten auf steilen Anstiegen immer wieder, wie es gemacht wird.
Dank harter Arbeit, vieler Stunden des Trainings und seines natürlichen Talents hat Mani gelernt, wie er seine KTM 300 EXC TPI über Terrain peitschen kann, vor dem andere verängstigt zurückschrecken würden. Für uns erläutert Mani – der gerade eine kleine Verletzung auskuriert, die er sich beim Auftakt zur WESS-Enduro-Weltmeisterschaft 2020 zugezogen hat – seine Technik im Detail und verrät uns, wie man jene langen, steilen, verwinkelten Trampelpfade bei den Red Bull Romaniacs meistert.
Ansatz
Wenn ich auf einen Anstieg zufahre, versuche ich, so weit wie möglich vorauszublicken, um vorab abschätzen zu können, was auf mich zukommt. Natürlich sehen wir vieles zum ersten Mal, wenn wir zu den Red Bull Romaniacs kommen, aber es gibt ein paar Dinge, auf die man achten kann. Wenn der Hügel mit einem Schild gekennzeichnet ist, weißt du sofort, dass es hart wird. In bestimmten Bereichen stehende Zuschauermengen zeigen an, dass es sich um Schlüsselstellen handelt.
Körperhaltung
Ich versuche, so lange wie möglich stehen zu bleiben. Das ist die beste Position, um auf das Terrain zu reagieren und Energie zu sparen. Meine Körperposition ist zentral auf dem Bike. Ich fahre in einer ausgeglichenen Haltung, um die Traktion zu maximieren und das Bike mit meinem Oberkörper lenken zu können. Selbst wenn ich mich hinsetzen muss, behalte ich diese zentrale Position bei. In abfallenden Bereichen lasse ich das auf der Innenseite befindliche Bein runterhängen, damit es mir jederzeit helfen kann, die Balance zu bewahren und nicht umzufallen. Ein Tipp zum Befahren langsamer, steiler Anstiege ist, die Füße vor den Fußrasten zu positionieren. So kannst du auf der Sitzbank nicht zu weit zurückrutschen.
Gangauswahl
Ich nehme Hügel gerne einen Gang höher als üblich. Ich will das Drehmoment meiner KTM 300 EXC TPI nutzen, um mich hinaufzuarbeiten. Gleichzeitig versuche ich, die Drehzahlen niedrig zu halten, um das Hinterrad am Durchdrehen zu hindern. Ich habe den Zeigefinger immer am Kupplungshebel, verwende ihn aber nicht viel. So schonst du das Bike und verhinderst einen Krampf in deinem Finger. Wenn es richtig hart wird, schalte ich in den ersten Gang zurück, fahre aber weiterhin mit niedrigen Drehzahlen und wenig Kupplungseinsatz.
Reifen-Setup
Beim Hard Enduro ist es lebenswichtig, jedes Rennen mit einem frischen Satz Reifen und jeden Renntag mit einem neuen Hinterreifen zu beginnen. Neue Reifen machen einen gewaltigen Unterschied in Sachen Performance und Erfahrung, besonders bei einem Rennen wie den Red Bull Romaniacs, bei denen du den ganzen Tag im Sattel sitzt. Um auf Anstiegen mit abfallenden Bereichen Grip und Traktion zu haben, verwende ich superweiche Metzeler-Reifen. Ein weicher Reifen ist aber nicht genug, wenn das Mousse zu steif ist. Das vergessen viele Leute. Steifes Mousse bedeutet, dass der Reifen unflexibel ist und du keinen Grip hast, wenn du ihn am dringendsten benötigst. Deshalb solltest du dein Mousse checken und, wenn nötig, Löcher hineinbohren, um es weicher zu machen.
Energie sparen
Auf langen Anstiegen ist es wichtig, Energie zu sparen. Lange Anstiege sind normalerweise mit einem Schild gekennzeichnet – eine gute Gelegenheit, einen Schluck Wasser aus deinem Wassersack zu trinken. Wenn dir auf halbem Weg nach oben die Puste ausgehen sollte, finde eine ‚ebene‘ Stelle abseits der Rennlinie und wirf dir ein Energie-Gel ein. Einmal oben angekommen, kannst du langsamer fahren, um dich zu erholen.
Geduld und Berechnung
Bleib immer ruhig und vermeide Stress. Versuche, intelligent zu fahren. Natürlich bist du in einem Rennen, aber wenn das Rennen fünf Stunden oder länger dauert, ist es in Ordnung, dir 10 Sekunden Zeit zu nehmen, um die Situation einzuschätzen. So kannst du ungewollte Bekanntschaften mit Felsen und Stürze vermeiden und deinen Körper, dein Bike und deine Energiereserven schonen.
Übung macht den Meister (fast jedenfalls)
Wenn du in deiner Gegend herumfährst, versuche, Stellen wie diese zu trainieren. Warte nicht bis zum Renntag damit – das ist der harte Weg. Das ist immens wichtig, da du so ohne Druck an deiner Technik arbeiten kannst. Du wirst Wege finden, die für dich und dein Bike gut funktionieren, und so instinktiv wissen, wie du diese Anstiege meistern kannst, wenn es soweit ist.