KTM 890 Adventure, ein Fazit nach sechs Monaten
Genauso, wie man ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen sollte, sollte man sich die nötige Zeit nehmen, um herauszufinden, was sich hinter der Verkleidung der KTM 890 ADVENTURE versteckt. Nach fast 10.000 km im täglichen Gebrauch habe ich gelernt, all die kleinen Details zu schätzen, die dieses Motorrad zu einem der technisch aus gereiftesten am Markt machen.
- Von Paolo Cattaneo – @paolocattaneophoto
Als ich die KTM 890 ADVENTURE im österreichischen Hauptquartier von KTM zum ersten Mal sah, war ich sofort von ihren unorthodoxen Linien fasziniert. Ihr hervorstehender Scheinwerfer und ihre unkonventionelle Tankform sorgen auf jeden Fall dafür, dass man sie nicht mit einem anderen Motorrad verwechseln kann. Das war vor fast sechs Monaten und ich kann mit Stolz sagen, dass der Kilometerstand am digitalen Kombiinstrument der KTM 890 ADVENTURE bald die 10.000-km-Marke erreichen wird.
Interessanterweise liefert das einzigartige Design des Bikes viele entscheidende Vorteile beim Fahren. Eine bessere Aerodynamik und eine klarere Sicht sind nur einige der Annehmlichkeiten einer schmalen und aerodynamischen Front. Im Laufe der letzten sechs Monate machten sich die Vorteile dieses Designs einige Male deutlich bemerkbar.
Einmal, zum Beispiel, als ich an einem Tag 500 km vom Norden in den Süden Italiens zurücklegte. Auf der Landstraße ist das Bike ein Gedicht – laufruhig und selbst bei hohen Geschwindigkeiten super stabil. Der serienmäßige Lenkungsdämpfer hilft dabei, das Bike stabil zu halten, und das hohe Windschild schützt mich zuverlässig vor den kleinen, lästigen Steinchen, die vorausfahrende Autos oft in meine Richtung feuern.
Auch der Kraftstoffverbrauch der KTM 890 ADVENTURE ist genial – besonders auf Schnellstraßen und Autobahnen. Beim gemütlichen Cruisen bei 120 km/h kann man ihn auf 4,5 l/100 km drücken, was bedeutet, dass man mit einer Tankfüllung über 400 km schafft.
TFT Display der 890 Adventure
Schnell wird man auch die Menüführung des Kombiinstruments zu schätzen wissen, welches selbst von Technik-Muffeln einfach und intuitiv zu bedienen ist. Das TFT-Display, welches im „Roadbook-Stil“ Turn-by-Turn-Navigation vom Handy des Fahrers liefern kann, ist hell und klar gegliedert. Mehrere Fahrmodi, Bluetooth-Konnektivität, Traktionskontrolle, Schlupfanpassung und Kurven-ABS: Das ist nur eine kleine Auswahl der fantastischen technischen Errungenschaften, die in diesem Bike stecken. Die Fahrmodi bieten mehrere Kombinationen und es dauert nicht lange, bis man die ideale Einstellung für die jeweiligen Bedingungen gefunden hat.
Als ich etwa die Amalfi-Küste hinunterfuhr, war ich froh darüber, das Kurven-ABS und den Rain-Modus zur Verfügung zu haben. Im Regen können diese schmalen und kurvigen Küstenstraßen sehr rutschig und gefährlich werden! Es war definitiv ein großes Plus, dass ich mir keine Sorgen machen musste. In so einem Fall dient die Elektronik dazu, deinen Spaß am Fahren zu steigern.
Was mich nach so vielen Kilometern im Sattel aber am meisten beeindruckt hat, war die Vielseitigkeit der KTM 890 ADVENTURE. Der neue Reihen-2-Zylinder läuft leise und fast ohne Vibrationen, liefert aber auf Abruf ein sattes Drehmoment. Bei niedrigen Drehzahlen „schnurrt“ das Bike und lässt sich leicht durch den Verkehr zirkeln. Es gibt nur wenig Hitze ab und hat einen kleinen Wendekreis, was perfekt zum Umdrehen und für enge Kurven ist. Besonders in der Stadt vermittelt sein niedriger Schwerpunkt das Gefühl, ein wesentlich leichteres Bike zu fahren. Die Gasannahme ist progressiv und sehr intuitiv.
In den ersten paar Monaten verbrachte ich ein paar Tage im griechischen Athen, einer Stadt, die für ihre Verkehrsstaus berüchtigt ist. Und prompt blieb ich in Griechenlands Hauptstadt an einer besonders verstopften Stelle stecken. Doch sogar in solch hektischen urbanen Umgebungen bieten die geschmeidige Gasannahme, die großartige Performance des Motors im unteren und mittleren Drehzahlbereich sowie die agile Fahrposition ein entspanntes Fahrgefühl.
Die Reiseenduro
Die KTM 890 ADVENTURE kommt mit typischen Reiseenduro-Features daher, bietet aber auch Eigenschaften, die normalerweise mit Offroad-Bikes assoziiert werden. Zum Beispiel verfügt sie serienmäßig über die Bedienelemente für die Geschwindigkeitsregelanlage am Lenker. Das erinnert an schwere Reisemaschinen und zeigt den Reisecharakter des Bikes. Ein Sicherheitsfeature der optionalen Geschwindigkeitsregelanlage ist die Tatsache, dass sie nicht aktiviert werden kann, wenn die Motorrad-Traktionskontrolle ausgeschaltet ist. Das verhindert Schlupf am Hinterrad, während die Drosselklappe vom Computer gesteuert wird. Die Stabilität des Bikes auf der Straße steht der eines 1200-cm3-Motorrads um nichts nach.
Ich hatte vorher noch nie ein Bike mit einer Geschwindigkeitsregelanlage. Aber ihr dürft mir glauben, wenn ich sage, dass das ein Spitzen-Feature ist! Auf langen Landstraßenschnitten hilft sie dir, eine neutralere und entspanntere Position einzunehmen. Es an einem Tag von den Dolomiten bis in die Toskana zu schaffen, ist keine einfache Aufgabe – ein ganzer Tag voller scharfer Kurven und Bergpässe und am Ende eine 300-km-Verbindungsetappe nach Florenz. Die anstrengenden Sektionen am Vormittag hatten an meinen Kräften gezehrt und so war ich froh, meinem Rücken und meinen Armen dank der Geschwindigkeitsregelanlage etwas Erholung gönnen zu können.
Offroad
Um sein Offroad-Potential zu steigern, hat KTM dem Bike serienmäßig breite Fußrasten und einen breiten Fußbremshebel sowie abnehmbare Lenkergewichte verpasst: ein Detail, welches den Offroad-Charakter dieses Motorrads unterstreicht. Auf staubigen Schotterstraßen verhält sich das Bike wie eine große Enduro. Die letzten paar Monate verbrachte ich auf Kreta und ich konnte dort das Offroad-Potential des Bikes voll austesten.
Irgendwo in den Bergen der Insel – 2000 m über dem Meeresspiegel – gibt es ein Plateau namens Pakhnes. Die Straße, die auf dieses Plateau führt, ist ein Abenteuer für sich. Sand, Schlamm, Muren, Felsen und Schnee sind nur einige der Hindernisse, die es zu überwinden gilt, will man diesen wunderschönen Ort erreichen. Mit der KTM 890 ADVENTURE dorthin zu fahren, war unvergesslich. Ich hatte das Gefühl, zum ersten Mal einen neuen Planeten zu betreten.
890 Adventure und die Fahrmodi
Die verschiedenen Fahrmodi lieferten völlig unterschiedliche Fahrerfahrungen. Die drei Standard-Modi sind Rain, Offroad und Street. Der Rally-Modus kommt mit dem RALLY PACK daher, das ich dringend empfehle, wenn man dieses „Tier“ voll ausreizen will. Im Rally-Modus bietet das Bike dem Fahrer drei verschiedene Stufen der Gasannahme: Offroad, Street und Rally. Wie in einem Videospiel versteht man schnell, dass die verschiedenen Konfigurationen unterschiedliche Schwierigkeitsgrade darstellen. Der Fahrer kann sich von einem Modus zum nächsten vorarbeiten und dadurch Vertrauen zum Motorrad aufbauen und es an die eigenen Fähigkeiten anpassen.
Mit seinen verschiedenen Modi und der Möglichkeit, das Bike an die Bedingungen anzupassen, macht der Rally-Modus die Sache erst richtig interessant. Auf diesen steilen griechischen Bergen brauchst du auf jeden Fall jedes bisschen Traktion und Power, das zur Verfügung steht!
Die Reifen der 890 Adventure
Zu guter Letzt ist noch zu erwähnen, dass die KTM 890 ADVENTURE auf den neuen Avon Trailrider V54-Reifen anrollt. Dank ihrer weichen Mischung kannst du das Motorrad auf Asphalt bis an seine Grenzen bewegen. Trotzdem ist der Reifen ebenso ideal für Bergstraßen, niedrige Temperaturen und jedes Terrain, das ich in den letzten sechs Monaten in Österreich, Italien und Griechenland kennenlernen konnte. In jeder Kurve und auf jedem felsigen Anstieg vermittelte mir der Reifen volles Selbstvertrauen.
Insgesamt war es eine Freude, sechs Monate lang mit der KTM 890 ADVENTURE fahren zu können. Besonders in der seltsamen Zeit, in der wir gerade leben, erwies sie sich als perfektes Werkzeug, um die Stadt hinter sich zu lassen und staubige Pfade zu erkunden. Meiner Meinung nach steckt in ihr einer der laufruhigsten, drehmomentstärksten und kräftigsten Motoren, die KTM je gebaut hat. Das Bike ist wendig und dennoch stark, einfach zu fahren und hat alle Performance-Features, um jede Ausfahrt zu einem Erlebnis zu machen, das du tage- oder sogar jahrelang nicht vergessen wirst …